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Antibiotikaresistenz – Ein Wettlauf mit der Evolution

Ein Visual Essay des Kiel Science Communication Network

P.aeruginosa | Tag 01 | Antibiotikakonzentration 1.0x

Stellen Sie sich eine Welt ohne Antibiotika vor.

P.aeruginosa | Tag 02 | Antibiotikakonzentration 1.1x

Verletzungen und Infektionskrankheiten können ohne Antibiotika leicht zum Tod führen.

P.aeruginosa | Tag 03 | Antibiotikakonzentration 1.6x

Unfälle und kleine Verletzungen können lebensbedrohlich sein. Offene Wunden sind anfällig für Infektionen. Wenn die Infektion eine Entzündungsreaktion im Körper auslöst, kann eine Blutvergiftung entstehen welche die Organe schädigen und zum Tod führen kann. Die Blutvergiftung kann heute mit Antibiotika behandelt werden, ist aber immer noch eine schwere Krankheit, an der 20 von 100 Infizierten sterben. Ohne Antibiotika würden bis zu 90 von 100 infizierten Personen sterben.

P.aeruginosa | Tag 04 | Antibiotikakonzentration 2.3x

Lungenentzündung ist eine häufige Infektionskrankheit, die durch Bakterien verursacht wird. Besonders gefährlich ist sie für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie ältere Menschen, Säuglinge oder Kleinkinder. Heute sind von 100.000 Todesfällen nur etwa 10 auf Lungenentzündung zurückzuführen. Im Jahr 1900 jedoch, als es noch keine Antibiotika gab, war diese Zahl etwa 20-mal so hoch und machte Lungenentzündung damit zu einer der drei häufigsten Todesursachen.

P.aeruginosa | Tag 05 | Antibiotikakonzentration 3.4x

Tuberkulose wäre in einer Welt ohne Antibiotika eine tödliche Bedrohung. Die Bakterien, die sie verursachen, befallen vor allem die Lunge, was zu Brustschmerzen und anhaltendem, heftigem Husten führt. Bleibt die Infektion unbehandelt, kann sie sich auf andere Körperteile ausbreiten und zu schweren gesundheitlichen Schäden führen. Ohne Antibiotika würden wir in eine Welt zurückkehren, in der Tuberkulose das Schreckgespenst des Todes war - und das ist sie immer noch in Ländern, in denen eine stabile Gesundheitsversorgung nicht garantiert und Antibiotika nicht weit verbreitet sind. In einer Welt ohne Antibiotika gäbe es keine wirksame Behandlungsmöglichkeit für Tuberkulose.

P.aeruginosa | Tag 06 | Antibiotikakonzentration 4.7x

In einer Welt ohne Antibiotika wären routinemäßige medizinische Eingriffe und alltägliche Operationen nicht mehr möglich.

P.aeruginosa | Tag 07 | Antibiotikakonzentration 6.4x

Antibiotika werden in der Regel bei medizinischen Eingriffen eingesetzt, um Infektionen zu verhindern. Zu diesen Eingriffen gehören alltägliche Operationen wie Hüft- oder Kniegelenkersatz oder die Entfernung des Blinddarms oder der Mandeln. Ohne Antibiotika wären diese Operationen nicht mehr möglich, und die Patient:innen wären gezwungen, ein Leben unter Schmerzen zu führen. Blinddarmentzündungen könnten so tödlich enden.

P.aeruginosa | Tag 08 | Antibiotikakonzentration 8.3x

Auch Kaiserschnitte zur Rettung eines ungeborenen Kindes wären ohne Antibiotika nicht mehr möglich. Dies würde sowohl die Mutter als auch das Leben des ungeborenen Kindes gefährden. In einer Welt ohne Antibiotika wäre eine Geburt ein riskantes Unterfangen - so wie es in der Menschheitsgeschichte seit Jahrtausenden im Zeitalter vor den Antibiotika der Fall war.

P.aeruginosa | Tag 09 | Antibiotikakonzentration 10.6x

Eine Welt ohne Antibiotika wäre ein sehr gefährlicher Ort für uns Menschen.

P.aeruginosa | Tag 10 | Antibiotikakonzentration 13.1x

Eine Welt ohne wirksame Antibiotika ist in der Tat eine Gefahr, mit der wir wieder konfrontiert sind, da antibiotikaresistente Bakterien auf dem Vormarsch sind. Wir befinden uns in einer akuten Krise, und der Wettlauf mit der Evolution um Sieg oder Niederlage in der Frage der Antibiotikaresistenz hat begonnen.

P.aeruginosa | Tag 11 | Antibiotikakonzentration 15.9x

Was bedeutet das?

P.aeruginosa | Tag 12 | Antibiotikakonzentration 19.1x

Um trotz des hohen Einsatzes von Antibiotika zu überleben, haben Bakterien zufällige genetische Veränderungen, sogenannte Mutationen, entwickelt (man spricht dabei auch davon, dass Bakterien Resistenzen evolvieren). Diese Mutationen entstehen ganz natürlich im Laufe ihrer Vermehrung. In der Folge sind einzelne Bakterien weniger anfällig oder sogar resistent gegen ein Antibiotikum. Die Wirkung der Medikamente lässt somit nach oder ist gar nicht mehr vorhanden. Dabei ist es keine Frage, ob Bakterien Resistenzen evolvieren, sondern lediglich wann dies passiert.

P.aeruginosa | Tag 13 | Antibiotikakonzentration 22.5x

Wenn Bakterien gegen mehrere Antibiotika-Gruppen Resistenzen evolviert haben, spricht man von Multiresistenz. Diese multiresistenten Keime können lebensbedrohliche Infektionen verursachen und sind ein großes Problem in der Gesundheitsversorgung weltweit. Sie können sich in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Gesundheitseinrichtungen, aber auch in der Tierhaltung oder in der Umwelt schnell verbreiten. Die Suche nach wirksamen Therapien ist oft teuer, schwierig und langwierig. Schon jetzt sterben Schätzungen nach weltweit jedes Jahr mehr als eine Million Menschen an einer Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden 2050 mehr Menschen an antibiotikaresistenten Erregern sterben als an Krebs.

P.aeruginosa | Tag 14 | Antibiotikakonzentration 26.2x

Wie schnell Bakterien Resistenzen gegen ein Antibiotikum evolvieren, zeigt das folgende Experiment: Forschende der Kieler Universität haben in einer geschützten Laborumgebung unabhängige Populationen (Gruppen von Bakterien derselben Art) des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa (abgekürzt mit P.aeruginosa) so gezüchtet, dass sie gegen jeweils eines von acht verschiedenen Antibiotika deutlich erhöhte Resistenzen evolviert hatten. P.aeruginosa ist eine Bakterienart, die häufig Resistenzen gegenüber verschiedenen Antibiotika aufweist. Der Erreger kann eine Vielzahl von Krankheiten hervorrufen, insbesondere bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder chronischen Krankheiten.

P.aeruginosa | Tag 15 | Antibiotikakonzentration 30.3x

Für das Evolutionsexperiment haben die Wissenschaftler:innen aus der Arbeitsgruppe von Professor Hinrich Schulenburg die gegen jeweils ein Antibiotikum resistent gemachten Bakterienpopulationen entweder demselben Antibiotikum erneut oder einem der anderen verbleibenden sieben Antibiotika ausgesetzt und dabei die Konzentration des jeweiligen Antibiotikums schrittweise gesteigert.

P.aeruginosa | Tag 16 | Antibiotikakonzentration 34.6x

Zu Beginn des Experiments wurden pro Antibiotikum 20 Bakterienpopulationen einer bestimmten Ausgangskonzentration des Antibiotikums ausgesetzt. Alle 12 Stunden haben die Forscher:innen dann die Bakterienpopulation in ein neues Nährstoffmedium übertragen und dabei die Antibiotikakonzentration schrittweise erhöht. Dies taten sie 24 Tage lang. Zum Vergleich nahmen die Forscher:innen 20 Bakterienpopulationen, die sie in einem Medium ohne Antibiotikazusatz gezüchtet hatten. Diese dienten als Kontrollpopulationen.

P.aeruginosa | Tag 17 | Antibiotikakonzentration 39.2x

Insgesamt erhielten die Forschenden so nach 48 Übertragungen und ungefähr 58 Bakterien-Generationen 160 Populationen, die an acht verschiedene Antibiotika angepasst waren, und zusätzlich 20 Kontrollpopulationen. Es zeigte sich, dass P.aeruginosa innerhalb von 58 Generationen oder weniger, also sehr schnell, Resistenzniveaus erreichen konnte, die das 64-fache der Ausgangskonzentration des jeweiligen Antibiotikums betrug oder sogar überstieg.

P.aeruginosa | Tag 18 | Antibiotikakonzentration 44.2x

Besonders auffällig und interessant war für die Forscher:innen, dass nicht alle 20 Bakterienpopulationen, die einem Antibiotikum ausgesetzt waren, sich gleich entwickelten. Sie fanden erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Populationen, was auf unterschiedliche Wege der Anpassung an das Antibiotikum hindeutet. Eine ähnliche Zunahme der Resistenz konnte auch ein Forscherteam aus Spanien mit einem verwandten P.aeruginosa-Stamm feststellen, was das Anpassungspotenzial dieser Bakterienart unterstreicht. Die Resistenz von P.aeruginosa scheint also sehr schnell (also innerhalb weniger Bakteriengenerationen) und durch viele verschiedene Anpassungsmechanismen gegen das Antibiotikum erreicht zu werden.

P.aeruginosa | Tag 19 | Antibiotikakonzentration 49.4x

Was die Kieler Forschungsgruppe mit diesem Experiment herausgefunden hat, lässt sich so oder ähnlich auch auf andere Bakterien übertragen: die Erreger evolvieren innerhalb kürzester Zeit Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika – selbst wenn die Konzentration des Antibiotikums fortlaufend gesteigert wird. Dabei lassen sich verschiedene Mechanismen der Resistenzentwicklung beobachten, wodurch eine Vorhersehbarkeit der Entwicklung erschwert wird.

P.aeruginosa | Tag 20 | Antibiotikakonzentration 54.9x

Im Wettlauf haben die resistenten Bakterien also aktuell die Nase vorn.

P.aeruginosa | Tag 21 | Antibiotikakonzentration 60.7x

Wenn die Bakterien diesen Wettlauf gegen die Antibiotikaresistenz gewinnen, wird eine Welt ohne wirksame Antibiotika unausweichlich sein. Und diese Welt wäre in der Tat ein gefährlicher Ort für die Menschen.

P.aeruginosa | Tag 22 | Antibiotikakonzentration 66.9x

Um dies zu vermeiden, müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir Antibiotika bei der Behandlung von Krankheiten beim Menschen, aber auch in der Tierhaltung oder Landwirtschaft einsetzen. Dazu müssen wir besser verstehen, wie Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln und ob es für die Bakterien Nachteile gibt, wenn dies geschieht.